Die Hundeanfänger waren mit der Rasse und der Eigenständigkeit des Rüden völlig überfordert.
Im Tierheim verhielt sich Daimon allem und jedem gegenüber sehr aggressiv, und ließ niemanden an sich heran. Isoliert und ohne Sozialkontakte, wuchs sein Frust und unsere Hilflosigkeit. Hunde mit Aggressionsproblemem haben wir oft im Tierheim.
Man arbeitet mit ihnen, lässt ihnen Zeit und irgendwann ist das Eis gebrochen, sie öffnen sich und es geht bergauf. Nicht so bei Daimon. Er wollte uns nicht. Egal wie sehr wir uns bemühten. Er wollte nicht bei uns sein, und wollte nicht eingesperrt sein. Wie sollten wir einem Hund helfen, der sich kein bisschen auf uns einlassen wollte, und auch nach Monaten nichts als Aggression für uns übrig hatte?
Nach langer, langer Zeit gab es endlich einen Lichtblick. Daimon fand eine Freundin. Eine junge Mitarbeiterin fand endlich eine Lücke in seiner Mauer und konnte Stück für Stück die Steine abtragen und zu ihm vordringen. Endlich wurde das Leben für Daimon wieder besser.
Er ließ sich den Maulkorb anlegen, konnte aus dem Zwinger geholt werden, auf dem Hof laufen und spazieren gehen. Durch den engeren Kontakt und die Bewegung die Daimon nun bekam, stellten wir schnell fest, dass er auch körperliche Probleme hatte. Er wurde bereits bei seinen Vorbesitzern am Knie operiert. Schlechte Heilung und das hohe Körpergewicht, ließen damals schon nichts Gutes ahnen. Jedoch war zunächst Daimons Verhalten unsere größte Sorge. Er war bei uns nicht gut aufgehoben. Nur eine Bezugsperson, die eigentlich viel zu jung und unerfahren war, und dem großen Rüden im Zweifelsfall auch körperlich nicht gewachsen, war dauerhaft nicht zu verantworten und brachte Daimon nicht weiter.
Und dem Ziel einer Vermittlung waren wir so weit entfernt, dass es nur eine Möglichkeit gab. Daimon musste umziehen. Eine Einrichtung mit mehr Personal, mehr Zeit, mehr Fachleuten und mehr Platz musste gefunden werden. Zum Glück fanden wir eine dieser großartigen Einrichtungen, die schwere und unvermittelbare Fälle aus Tierheimen aufnehmen und trainieren. Für den kleinen Tierschutzverein Gifhorn eine große finanzielle Herausforderung. Die Unterbringung solcher Hunde mit Verpflegung und Training ist sehr kostspielig. Dennoch war es für Daimon eine große Chance und für uns, trotz monatlichen Kosten, keine Überlegung.
Daimon zog also bei den „Küstenkötern“ in Weede – Schleswig-Holstein ein. Dort lernte er den Umgang mit Menschen und anderen Hunden. Nach Monaten der Arbeit und des Trainings, fand Daimon Bezugspersonen, und konnte mit Artgenossen in der Gruppe laufen. Wir glaubten, er wäre seinem Happy End ein großes Stück näher gekommen. Durch Überzüchtung und Krankheit verschlechterte sich sein Allgemeinzustand immer mehr. Sein Knie machte Probleme und die Fehlbelastung wirkte sich auf den gesamten Bewegungsapparat aus. Trotzdem wollten wir Daimon einfach nicht aufgeben. Teure Untersuchungen in Kliniken bei Fachärzten wurden durchgeführt. Das vorerkrankte Knie wies eine riesige Umfangsvermehrung auf. Ob es sich „nur“ um Arthrose handelte oder gar einen Tumor, war unklar. In beiden Knien litt er unter Arthrose und einer Patellaluxation. Von einer Operation wurde uns deutlich abgeraten. Eine Knieprothese käme bei einem 45kg Hund nicht in Frage. Ein täglicher Verbandswechsel wäre bei einem Hund wie Daimon auch kaum möglich. Er hätte nie wieder springen dürfen und hätte mit noch mehr Einschränkungen leben müssen. Schonen in einer tierheimähnlichen Unterbringung ist so gut wie unmöglich. Während wir versuchten mit der niederschmetternden Diagnose umzugehen, und uns große Sorgen machten, wie es weitergehen soll, wurde Daimons Zustand immer schlechter.
Letztendlich konnte er seinen Kot nicht mehr halten und zum Schluss nicht mehr aufstehen. Und nun wussten wir, dass es nur noch eine Hilfe für Daimon geben konnte. Tierschutz heißt manchmal Entscheidungen treffen, die uns sehr schwer fallen, die aber für das Tier das einzig Richtige sind. So haben wir den Kampf um Daimon verloren, und haben ihn gehen lassen.