Die Geschichte von Memphis
In den letzten Monaten haben wir dutzende Anfragen für Hundeabgaben bekommen.
In fast allen Fällen geht es um Hunde die schwierig geworden sind und ihre Halter überfordern.
Oft sind es Hunde im Alter von 1,5 bis 2,5 Jahren. Viele davon sind Rassen, die für bestimmte Aufgaben gezüchtet wurden. Malinois, Carne Corso, Akitas usw.
Bei der Anschaffung wird im Tierheim meist nicht geschaut, oder nach Beratung gesucht.
Die haben ja schließlich nur alte und gestörte Hunde, nicht wahr?
Nebenbei bemerkt… haben wir nicht. Ja, wir haben auch „schwere Jungs“ die auf ein neues Zuhause warten.
Unsere Hunde bekommen täglich Training und jeder Einzelne ist wunderbar und hat wahrscheinlich eine bessere Erziehung genossen als so mancher Privathund.
Vermutlich sind es genau die Hunde die als Welpe vom Züchter angeschafft wurden, damit man auf „Nummer Sicher“ ging, einen vernünftigen Hund zu bekommen.
Als der süße Welpe dann zu einem fünfzig Kilo Monster herangewachsen war, völlig unerzogen und nicht sozialisiert, wurde der Weg zum Tierheim schnell gefunden. „Das geht nicht mehr“ hören wir dann. „Wir haben ALLES versucht, aber es liegt am Hund, der funktioniert irgendwie nicht richtig. Der muss jetzt weg. Möglichst heute noch.“
Wir würden gern jedem einzelnen dieser meist missverstandenen Hunde helfen und sie aufnehmen.
Aber unsere Plätze sind begrenzt. Unsere Ansprüche an Beschäftigung und Training sind groß und spätestens wenn wir keine Zeit mehr für den einzelnen Hund haben, und nur noch „aufbewahren“, ist das Ganze nicht mehr richtig.
Und trotzdem helfen wir Hunden und ihren Menschen, wenn sie sich denn helfen lassen wollen.
Hier ist die wunderbare Geschichte von Memphis und seinen tollen Menschen. Ein schönes Beispiel, dass es auch anders geht und es sich lohnt für seinen Hund zu kämpfen.
Memphis ist ein Großer Schweizer Sennenhund.
Er kam als Welpe in die Familie und wurde innig geliebt.
Vielleicht lag genau hier das Problem, denn Memphis war immer das „Baby“ und wurde sehr verwöhnt.
Es ist selbstverständlich, dass man seinen Hund lieben sollte. Aber es reicht eben nicht aus.
Ein Hund braucht Sicherheit, muss sich auf seine Menschen verlassen können und braucht souveräne Führung.
Als Memphis heranwuchs, merkte er, dass die „netten Keksgeber“ aus seiner Sicht, nichts unter Kontrolle hatten.
Also musste er die anstrengende Rolle der Führung übernehmen. Bewachen, kontrollieren, maßregeln und manipulieren der Menschen… da hatte der junge Rüde alle Pfoten voll zu tun, und fühlte sich mit diesen Aufgaben überfordert.
Aber was soll man tun als Hund, einer muss den Job ja machen.
Ohne Rückendeckung und mit wachsenden Kommunikationsschwierigkeiten, wurde Memphis immer unsicherer und überspielte es mit steigender Aggression.
Anfangs mal ein Knurren, hier mal ein Schnappen, da mal ein Zähnezeigen.
So begann der Kreislauf.
Seine Menschen wurden unsicher, versuchten vielleicht etwas strenger zu sein, Memphis wurde noch unsicherer usw.
Letztendlich kam es zu mehreren ernsthaften Beißversuchen.
Auch bei Hundetrainern konnten Memphis Besitzer keine wirkliche Hilfe finden.
Anfangs verbesserten sich die Probleme, dann kamen sie schlimmer als vorher wieder zurück.
Einen geeigneten Hundetrainer zu finden der flexibel ist und zu dem Hund und seinen Haltern genau passt, ist manchmal schwierig und letztendlich auch eine finanzielle Herausforderung.
Tiefsitzende Verhaltensauffälligkeiten (bei Hund und Mensch…) sind eben nicht in zwei Wochen wegzutrainieren.
So kam den verzweifelten Hundeeltern der Gedanke „Wir schaffen es nicht. Es wird langsam gefährlich und es ist besser sich von Memphis zu trennen“.
Sie kamen also zu uns ins Tierheim und waren überzeugt davon Memphis abgeben zu müssen.
Müssen – nicht wollen – denn eigentlich hätten sie nichts lieber gehabt, als dass es wieder harmonisch läuft zwischen Hund und Mensch.
Wir nahmen uns Zeit. Hörten uns die Lebensgeschichte und den Werdegang von Memphis an. Uns war klar, im Tierheim aufnehmen konnten wir den großen Rüden aus Platz- und Personalmangel nicht.
Wie schon erwähnt, haben wir im Tierheim auch „schwere Jungs“ und hin und wieder bringen sie uns an unsere Grenzen.
Manchmal brauchen auch wir Unterstützung und den „Blick von draußen“.
Und dafür haben wir großartige Hilfe.
Der Ausbildungswart eines Hundesportvereins berät uns ehrenamtlich und steht uns zur Seite, wenn wir mit unseren „Bollerköppen“ mal nicht weiter kommen. (An dieser Stelle – DANKE Matze!!)
Zurück zu Memphis.
Uns wurde schnell klar, wenn jemand helfen kann, dann dieser Ausbilder.
Es wurde also ein Treffen mit ihm, uns, Memphis und seinen Menschen vereinbart.
Beim Kennenlernen wurde viel erzählt, Memphis auf „den Zahn“ gefühlt und geschaut wie ein Trainingsansatz aussehen könnte.
Nach einem langen Nachmittag hatten die Besitzer von Memphis viel nachzudenken und zu verdauen.
Einiges an Selbstkritik, vermutlich schmerzhafte Eingeständisse und Hausaufgaben gab es dazu.
Nun begann der lange Weg zu einem besseren Miteinander. Und diesen Weg gehen die beiden Menschen und Memphis immernoch gemeinsam.
Es wird trainiert und gearbeitet. Mal mit Rückschritten, mal mit großem Erfolg. Aber sie geben nicht auf, und sie werden Memphis zurück gewinnen.
Es hört sich einfach an, aber es steckt so viel dahinter, dass die Menschen bereit sind an sich zu arbeiten und zu ihrer Verantwortung zu stehen!
Was wir damit sagen möchten: Es geht eben auch anders!
Diese Geschichte zeigt wie es sein könnte.
Dass Menschen, die sich einen Hund angeschafft haben Verantwortung tragen müssen.
Sich ggf professionelle Hilfe suchen und an den Problemen arbeiten.
Denn wenn schon die Besitzer keine Lust haben IHRE Fehler wieder gut zu machen, und sich um ihren Hund zu kümmern – welcher Wildfremde sollte sich diesen Hund aus dem Tierheim holen?
Zum Glück tun das einige Menschen. Und irgendwann sind auch die Richtigen für unsere schwierigen Hunde dabei.
Memphis hat Glück gehabt. Und wir wünschen ihm und seinen beiden Menschen viel Kraft und alles Gute auf ihrem langen Weg.