Rechtliche Vorgaben zur Haltung von Muttersauen seit 28 Jahren ignoriert

Der Bundesrat entscheidet am 05.06.2020 über die Fortsetzung der rechtswidrigen Haltungsform des Kastenstandes in der Schweinehaltung

Die Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein haben sich auf einen Kompromissvorschlag zur umstrittenen Kastenstandhaltung für Sauen verständigt, wonach diese Praxis weiterhin erlaubt sein soll. Dieser Vorschlag soll auch durch das Land Niedersachsen akzeptiert werden.

Der Landestierschutzverband Niedersachsen fordert die Landesregierung auf, die Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) zurückzuweisen und sich nicht an der Legalisierung tierquälerischer Haltungsbedingungen zu beteiligen. Aus Sicht des Tierschutzverbandes wird damit eine Verletzung des Staatsziels Tierschutz in Kauf genommen, um rein ökonomische Interessen über den Schutz und das Wohlbefinden der Tiere zu stellen.

Das wirft neben politischen Fragen auch ganz grundsätzliche rechtsstaatliche Fragen auf, weil die rechtsprechende Gewalt missachtet wird. Die 1988 erstellte und seit 1992 geltende Vorgabe der damaligen Schweinehaltungsverordnung und der 2006 in die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung übernommene Vorgabe, dass Sauen ihre Gliedmaßen in Seitenlage im Kastenstand ausstrecken können müssen, wurde jahrzehntelang ignoriert.

Kastenstände müssen demnach so ausgestaltet sein, dass jedes Schwein – wie in der TierSchNutztV vorgeschrieben – ungehindert in Seitenlage die Gliedmaßen ausstrecken kann.

Statt nun eine tragbare Tierhaltung ohne Kastenstand umzusetzen, missachtet der Kompromissvorschlag weiterhin ein höchstrichterliches Urteil und beabsichtigt nun, dass Sauen im Kastenstand beim Liegen in Seitenlage ihre Gliedmaßen ausstrecken können, ohne dabei an bauliche Hindernisse zu stoßen, aber die Sau im benachbarten Kastenstand kein Hindernis darstellt.

Hierzu haben die Richter am BVerwG (08.11.2016 Az. 3B11/16) ausgeführt, dass dies nur sichergestellt werden kann, wenn die Breite des Kastenstandes der Widerristhöhe des Schweines entspricht oder es seine Gliedmaßen ohne Behinderung in die benachbarten leeren Kastenstände ausstrecken kann.

Weiterhin werden wieder nicht zu tolerierende Übergangsfristen vorgesehen, obwohl den Schweinehaltern seit 1988 die Vorschriften bekannt sind.

Dazu Dieter Ruhnke, Vorsitzender des Landestierschutzverbandes: „Der Ministerpräsident Niedersachsens steht vor der Entscheidung sich an seinen Amtseid, die Einhaltung des Grundgesetzes, der Landesverfassung, des Tierschutzgesetzes und der höchstrichterlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zu halten oder der beabsichtigten Änderung zuzustimmen und damit ein weiteres Mal der Öffentlichkeit zu zeigen, dass die Rechtsordnung den wirtschaftlichen Interessen einzelner angepasst wird. Dies würde eine Fortsetzung der Tierquälerei mit Beihilfe der Regierung Niedersachsens darstellen.“

Ruhnke weiter: “Die Zustimmung von Ministerpräsident Weil den Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration rückgängig zu machen, war bereits eine beispiellose politische Entgleisung. Sollte jetzt ein höchstrichterliches Urteil durch eine deutliche Verschlechterung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung umgangen werden, um reine monetäre Ziele zu fördern, schwindet das Vertrauen in die demokratischen Prozesse in Niedersachsen noch weiter“

Dieter Ruhnke

Vorsitzender